Das NÖ Armutsnetzwerk lud am 26. April zur Pressekonferenz Leistbares Leben statt tiefer Gräben – Impulse für soziale Sicherheit in Niederösterreich.
Die gesamte Pressemappe findet sich auf der Website des NÖ Armutsnetzwerks.
Im Vorfeld des “Tages der Arbeitslosen”, der alljährlich am 30. April auf die Herausforderungen, mit denen sich erwerbsarbeitslose Menschen konfrontiert sehen, hinweist, brachte Maria Nirnsee, Geschäftsführerin von arbeit plus – Soziale Unternehmen Niederösterreich Aspekte rund um das Thema Arbeit ein:
Von schweren Steinen, die den Weg zu existenzsichernder Arbeit blockieren
Die Gruppe Arbeitsmarktpolitik im Niederösterreichischen Armutsnetzwerk setzt auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen: für armutsgefährdete Menschen und für Soziale Unternehmen
Die aktuell positiven Dynamiken am niederösterreichischen Arbeitsmarkt dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor eine Vielzahl an Menschen gibt, die aufgrund struktureller Benachteiligungen keinen Zugang zu existenzsichernder Erwerbsarbeit haben. Im März 2023 waren in Niederösterreich 39.763 Personen beim AMS als arbeitsuchend gemeldet, 5.031 dieser Menschen sind schon mehr als ein Jahr ohne Erwerbsarbeit. 37,5% Prozent davon sind Frauen. Die Zahl der langzeitbeschäftigungslosen Arbeitslosen, (d.h. inkl. jener Personen, die beispielweise in Schulungen sind) ist weitaus höher. Sie liegt bei 10.371, davon sind 4.444 (42,8%) Frauen. Auch wenn die Zahl der Langzeiterwerbsarbeitslosen in Niederösterreich rückläufig ist: Die Politik darf keinesfalls auf jene Menschen vergessen, deren Langzeiterwerbsarbeitslosigkeit sich verfestigt.
Je länger die Dauer der Erwerbsarbeitslosigkeit, desto höher die Armutsgefährdung:
Auch Frau Berger (Name geändert) stand nach dem Verlust ihrer Arbeit immer häufiger vor der Frage: Miete zahlen oder Lebensmittel kaufen? Sie war Friseurin aus Leidenschaft und somit in einem klassischen Frauenberuf tätig, nach der Geburt ihres Sohnes teilzeitbeschäftigt – das Geld war schon damals knapp, doch gemeinsam mit dem Einkommen ihres Partners „ging es halt so irgendwie“ erzählt Frau Berger. Doch eine schwere Erkrankung machte es ihr unmöglich, weiterhin als Friseurin tätig zu sein. Es kam zur Trennung von ihrem Partner und als Alleinerziehende mit einer chronischen Erkrankung war es für Frau Berger nicht möglich, beruflich wieder einzusteigen.
Längere Arbeitslosigkeit führt zu Armut
Laut den aktuell veröffentlichten, auf den EU-SILC-Erhebungen basierenden, Armutsdaten der Statistik Austria aus dem ersten Halbjahr 2022 sind 67% jener Menschen, die mehr als ein Jahr arbeitslos sind, armutsgefährdet bzw. einkommensarm. Verkürzung von Arbeitslosigkeit und Arbeitsaufnahme sind die Schlüssel zu Existenzsicherung. Besonders für Frauen in ländlichen Regionen bedeutet dies häufig auch Eigenständigkeit und erweitert ihre Handlungsspielräume.
Soziale Unternehmen, die im Niederösterreichischen Armutsnetzwerk vertreten sind – u.a. die 31 Mitglieder von arbeit plus Niederösterreich -, unterstützen langzeiterwerbsarbeitslose Menschen dabei, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Sie tun das durch prozessorientierte, psychosoziale Beratung, durch Qualifizierung und zeitlich befristete Dienstverhältnisse. Die Erfahrung dieser Sozialen Unternehmen zeigt, dass für eine verlässliche Jobaufnahme und die Konzentration auf die Arbeitsuche stabile Lebensumstände notwendig sind.
Langzeitbeschäftigungslosigkeit hat gravierende Folgen für die Betroffenen: der Wegfall von Erwerbseinkommen bedeutet – insbesondere in Zeiten enormer Teuerungen – ein höheres Armutsrisiko und somit verminderte soziale Teilhabe. Wenn das Arbeitslosengeld nicht mehr armutsfest ist, verschärfen sich diese Problemlagen in rasender Geschwindigkeit. Um dies zu vermeiden ist eine Valorisierung des Arbeitslosengeldes unumgänglich.
Wir kennen die Steine, die am Weg zu nachhaltiger Arbeitsaufnahme den Weg blockieren, aus der tagtäglichen Arbeit der Sozialen Unternehmen: Es sind Existenzängste, Wohnungsunsicherheit, Mobilitätsarmut, Unsicherheit bezüglich der Versorgung der Kinder und Angehörigen, psychische und physische Belastungen sowie individuelle Entmutigungen, die Langzeiterwerbsarbeitslose auf ihrem Weg hindern.
Maria Nirnsee, Geschäftsführerin von arbeit plus – Soziale Unternehmen Niederösterreich
Unsere Botschaft an die Niederösterreichische Landesregierung
Um diese Steine aus dem Weg zu räumen, braucht es nicht mehr Druck. Vielmehr braucht es Rahmenbedingungen, die das gemeinsame Bestreben, niemanden zurückzulassen, überhaupt erst ermöglichen. Das bedeutet konkret: ein intensiver Diskurs zwischen Vertreter:innen von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen und der Politik, insbesondere der neuen NÖ Landesregierung – ein gemeinsames Commitment und die Kooperation unterschiedlicher Fördergeber:innen, um mit vereinten Kräften an den richtigen Hebeln anzusetzen.
Die Gruppe Arbeitsmarktpolitik im NÖ Armutsnetzwerk begrüßt das im Arbeitsübereinkommen 2023 – 28 festgehaltene Bekenntnis zum Engagement gegen Langzeitarbeitslosigkeit und den Fokus auf die Inklusion von Menschen mit Behinderungen und gesundheitlichen Einschränkungen in den Arbeitsmarkt.
Die Sozialen Unternehmen stehen mit ihrer Expertise und ihrem Know-How bereit. Doch auch sie bedürfen stabiler Bedingungen, wie etwa mehrjährige Förderverträge, um als Wegbereiter:innen für benachteiligte Menschen ihre Arbeit tun zu können. Und gerade das braucht es in instabilen Zeiten: Stabile, niederschwellige, stufenweise Angebote für arbeitsmarktferne Personen. Sie unterstützen nicht nur die armutsgefährdeten Menschen selbst, sondern wirken durch arbeitsplatznahe Qualifizierung und Kooperationen mit der Wirtschaft dem Arbeitskräftemangel entgegen. Es braucht faire Entlohnung sowie begleitende Maßnahmen im Sinne ganzheitlicher Angebote.
Durchlässigkeit sowie sozial und ökologisch innovative Ansätze
Um das Recht auf Arbeit von Menschen mit Behinderung / gesundheitlichen Einschränkungen zu gewährleisten, müssen innovative Modelle entwickelt werden: Lohn statt Taschengeld, individuelle Assistenzangebote und vor allem Durchlässigkeit zwischen unterstützten Formen der Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt.
Mit Hinblick auf den Tag der Erwerbsarbeitslosen, der am 30. April international auf die Situation von Menschen ohne existenzsichernde Arbeit hinweist, möchten wir die Verantwortlichen einladen, weiter mit uns in Dialog zu bleiben und gemeinsam Strategien zu entwickeln, die gesellschaftlichen Mehrwert zeitgleich auf unterschiedlichen Ebenen erzielen. So erweist sich die Investition in Zukunftsfelder, wie etwa im Bereich der Kreislaufwirtschaft, als besonders lohnend.
Mit arbeitsmarktpolitischen, sozial und ökologisch innovativen Projekten kann es gelingen, die „schweren Brocken“, wie etwa die Verschärfung von Armutsgefährdung angesichts des Klimawandels, die sich uns noch in den Weg legen werden, ein Stück weit zu bewegen.