Wie Mitgliedseinrichtungen von arbeit plus Niederösterreich Wissenschaft und Praxis verbinden
Soziale Unternehmen im Netzwerk von arbeit plus Niederösterreich sind nicht nur Orte der Unterstützung und Qualifizierung für benachteiligte Menschen, sondern auch lebendige „Forschungslabore“. Durch ihre aktive Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung von Wissenschaft und Praxis – und damit zu gesellschaftlicher Teilhabe.
Anhand von 3 Beispielen möchten wir in diesem Beitrag festhalten, wie wichtig, wertvoll und wirksam derartige Kooperationen sein können. Alle drei Beispiele bewegen sich an der Schnittstelle Arbeitsmarktintegration – digitale Inklusion. Und das ist keine Zufall, wird doch die digitale Inklusion von Menschen zunehmend auch zum Barometer für berufliche, soziale und demokratiepolitische Teilhabe sowie den Zugang zu (sozialen) Dienstleistungen! Umso wichtiger ist die partizipative Einbindung von Menschen, die letztendlich die Nutznießer:innen der Forschungsergebnisse sein sollen. Partizipative Forschung bindet Betroffene aktiv in den Forschungsprozess ein, anstatt sie nur als „Objekte“ der Forschung zu betrachten und ermöglicht dadurch Empowerment und Selbstbestimmung, steigert die Relevanz und Praxisnähe der Forschung, verbessert soziale Teilhabe, erhöht die Wissensproduktion und -validität und unterstützt somit nachhaltige Veränderungen.
Die „Schmiede – Zukunft und Arbeit“ als Begegnungsort und wissenschaftlicher Kooperationspartner
Die Schmiede – Zukunft und Arbeit ist ein Gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt in Korneuburg, das langzeiterwerbsarbeitslosen Menschen befristete Arbeitsplätze bietet und sie bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützt. Sie versteht sich als Lern-, Arbeits- und Begegnungsraum, der sich mit gesellschaftlichen Herausforderungen und Zukunftsfragen auseinandersetzt.
Leitbild und Engagement
Die Schmiede verfolgt das Konzept „Gemeinsam Wachsen“, das soziale, ökologische und wirtschaftliche Aspekte verbindet. Sie ist nicht nur ein Arbeitsplatz für Menschen mit Unterstützungsbedarf, sondern auch ein Ort des Lernens, der Vernetzung und des gesellschaftlichen Engagements. Ihr Einsatz umfasst unter anderem die Integration langzeitarbeitsloser Menschen durch individuell abgestimmte Beschäftigung und Begleitung, regionale Projekte wie die Unterstützung der Grünraumpflege, die Stadtbücherei Korneuburg und die Gestaltung naturnaher Schaugärten, Nachhaltigkeitsprojekte zur Förderung von Biodiversität und Umweltschutz, z. B. durch Kooperationen mit Herbios (Vertikalbegrünung), den Bau von Vogelhäusern und Upcycling-Projekte. Ein weiterer essenzieller Aspekt der Arbeit der Schmiede ist die Vernetzung mit Wissenschaft, anderen Sozialen Unternehmen und der Wirtschaft zur Weiterentwicklung von Arbeitsmodellen und gesellschaftlichen Strukturen.
Zusammenarbeit mit der Wissenschaft
Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der Schmiede ist die wissenschaftliche Kooperation, insbesondere mit der Fachhochschule St. Pölten und dem Ilse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, die gesellschaftliche Bedeutung Sozialer Unternehmen sichtbar zu machen und in wissenschaftlichen Kontexten zu diskutieren. Dies geschieht unter anderem durch die Teilnahme an wissenschaftlichen Veranstaltungen wie dem Arlt Symposium „Alles Arbeit – Das Konzept Arbeit aus unterschiedlichen Perspektiven“, durch den Austausch mit Forscher:innen und Fachleuten über die Bedeutung Sozialer Unternehmen für den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft und – last but not least – durch gemeinsame Forschungsprojekte und Datenerhebungen zur Verbesserung sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.
Das Comfort:Zone-Projekt – Wissenschaft trifft Praxis
Ein Beispiel für diese Kooperation ist die Beteiligung der Schmiede am Forschungsprojekt „Comfort:Zone“ der Fachhochschule St. Pölten. Ziel des Projekts war es, zu untersuchen, wie gut sich Fußgängerinnen und Fußgänger in Korneuburg fortbewegen können und welche Barrieren es für unterschiedliche Nutzer:innengruppen gibt.
Im Dezember 2024 testeten Mitarbeitende der Schmiede gemeinsam mit dem Team um Mag. Christoph Omann, MA die Test-App „Comfort:Zone“. Dabei wurden verschiedene Aspekte der Stadtmobilität analysiert:
- Sicherheit und Barrierefreiheit öffentlicher Räume für Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen.
- Hindernisse und positive Vorzeigebeispiele für Fußgänger in Korneuburg.
- Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden im öffentlichen Raum aus der Sicht der Teilnehmenden.
Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schmiede war die Teilnahme an diesem Projekt besonders wertvoll, weil sie dadurch:
- Einblicke in wissenschaftliche Arbeitsmethoden gewannen, insbesondere die Datenerhebung und -auswertung.
- Den Teamgeist stärkten, indem sie gemeinsam ihre Erfahrungen diskutierten.
- Aktiv am wissenschaftlichen Prozess teilnahmen, indem sie ihre eigenen Perspektiven einbrachten.
- Ihr Wissen über Mobilität, Diversität und Stadtplanung erweiterten.
Für die Fachhochschule wiederum war die Kooperation mit der Schmiede besonders wertvoll, da sie direkte, praxisnahe Erkenntnisse für ihre Forschung erhielt.
Warum ist das wichtig?
Dieses Projekt zeigt exemplarisch, wie Soziale Unternehmen, Wissenschaft und Praxis voneinander profitieren können. Die Schmiede verbindet soziale, ökologische und digitale Aspekte und schafft eine Plattform, in der verschiedene Akteure zusammenkommen.
Das Projekt Comfort:Zone ist ein Beispiel dafür, wie die Schmiede über ihren sozialen Auftrag hinaus eine aktive Rolle in der Gestaltung gesellschaftlicher Prozesse übernimmt. Durch die Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung trägt sie dazu bei, praxisnahe Lösungen für aktuelle Herausforderungen in den Bereichen Arbeitsmarkt, soziale Teilhabe und nachhaltige Stadtentwicklung zu entwickeln. Die Schmiede positioniert sich damit als Ort des Austauschs, der Vernetzung und der aktiven Mitgestaltung unserer Zukunft.
Digitalisierung als Schlüsselfaktor: Digi-ChaG der Donau-Universität Krems mit zB training
Ein weiteres Beispiel für die Rolle Sozialer Unternehmen als Forschungspartner ist das Projekt Digi-ChaG der Donau-Universität Krems. Gemeinsam mit dem arbeit plus NÖ Mitglied zb – zentrum für beratung, training & entwicklung widmet sich ein Team rund um Mag. Mag. Manfred Zentner digitaler Inklusion. Ziel ist es, digitale Gaps zu identifizieren, die Klient:innen Sozialer Unternehmen zu Bildung, Kommunikation und dem Arbeitsmarkt erschweren, und Strategien zu entwickeln, diese Kluften hinsichtlich digitaler Ressourcen sowie Skills zu überbrücken. Das ist wichtig, denn: „Digitale Möglichkeiten bestimmen zu einem wachsenden Teil den Zugang zu Information, Bildung, Kommunikationsmöglichkeiten, staatlichen Institutionen und nicht zuletzt zum Arbeitsmarkt. Wir nehmen wahr, dass es Gruppen gibt, die von diesem Zugang – aus teilweise sehr unterschiedlichen Gründen – abgeschnitten sind“, weiß Krista Susman, Geschäftsführerin von zB training. Im Rahmen von Digi-Chag sollen zielgruppenspezifische Unterstützungsmaßnahmen, die es weiblichen Teilnehmerinnen mit Migrationshintergrund erleichtern, digitale Fort- und Weiterbildungsangebote erfolgreich zu absolvieren, entwickelt werden. Dadurch kann starken Verzögerungen und Abbrüchen bei digitalen (Weiter-)Bildungsmaßnahmen vorgebeugt werden.
In Form von Co-Creation Workshops werden tatsächlich handhabbare und effiziente Instrumente zur Unterstützung des digitalen Lernens geschaffen und erprobt. Neben Klient:innen profitieren auch die Schlüsselarbeitskräfte des Sozialen Unternehmens von der Kooperation mit der Donau-Uni: Denn auch sie sind laufend gefragt, Expertisen im Umgang mit digitaler Anbindung zu erwerben und an neue Entwicklungen anzupassen.
So ermöglicht die Zusammenarbeit mit der Forschungseinrichtung zum einen der Hochschule einen direkten Zugang zu den tatsächlichen Themen- und Problemstellungen und zum anderen – mittels des partizipativ ausgestalteten Forschungsansatzes, eine Erarbeitung von Lösungsmodellen gemeinsam mit betroffenen Klient:innen, Sozialarbeiter:innen, Student:innen und Forscher:innen.
Digi +
Wer arbeit plus NÖ kennt, kennt wohl auch „Die digitale Werkzeugkiste“: die online-Lernplattform vermittelt digitales Basiswissen, das in einzelnen Lektionen leicht zugänglich, flexibel und kostenlos erworben werden: Vom Einstieg in die digitale Welt bis hin zur online-Bewerbung. Auch dieses Projekt entstand in enger Zusammenarbeit zwischen dem Netzwerk Sozialer Unternehmen arbeit plus NÖ und dem Ilse Arlt Institut der FH St. Pölten.
Basierend auf den Erfahrungen, dass Digitalisierung zwar neue Chancen eröffnen, gleichzeitig aber auch enorme Risiken sozialer Exklusion bergen kann, entwickelten Forscher:innen der FH St. Pölten gemeinsam mit IT-Fachkräften, Sozialarbeiter:innen sowie mit Klient:innen und Transitmitarbeiter:innen ein niederschwelliges Projekt, das es sich – finanziert aus dem Projektfonds Arbeit 4.0 der Arbeiterkammer NÖ – zum Ziel gesetzt hatte, digitale Inklusion in enger Verbindung mit Arbeitsmarktintegration voranzutreiben.
Neben Methoden der partizipativen Forschung wurde in der Entwicklung der digitalen Werkzeugkiste auf das Konzept des Human Centered Designs zurückgegriffen. Erhebungen wurden sowohl quantitativ als auch teilstrukturiert und qualitativ durchgeführt. Die Ergebnisse dienten wiederum der „Aktionsforschung“ (d.h. gemeinsames Forschen mit dem Ziel einer unmittelbaren Veränderung) und weiterer Entwicklung. Das gesamte Forschungsdesign lehnte sich an das systemisch-konstruktivistische Paradigma an (vgl. Digi + Endbericht). Ziel war es, zu beobachten und zu verstehen, aber auch gemeinsam mit Betroffenen eine Lösung zu entwickeln. Die Projektlaufzeit belief sich auf die Jahre 2020-22, die daraus entstanden digitale Werkzeugkiste erfreut sich weiterhin reger Nutzung und die daraus entstandenen Erkenntnisse konnten wertvolle Grundlagen für Folgeprojekte an der Schnittstelle Arbeitsmarktintegration und digitaler Inklusion liefern.
Synergien zwischen Praxis und Wissenschaft
Diese und zahlreiche weitere Projekte im Netzwerk von arbeit plus in Kooperation mit unterschiedlichsten Forschungseinrichtungen zeigen, wie Soziale Unternehmen durch ihre enge Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen zur Weiterentwicklung von Wissenschaft und Gesellschaft beitragen. Sie schaffen einen Zugang zu realen Problemstellungen und ermöglichen es Studierenden und Forschenden, praxisorientierte Lösungsansätze zu entwickeln. Gleichzeitig profitieren die Sozialen Unternehmen von neuen Erkenntnissen und Methoden, die sie in ihrer täglichen Arbeit anwenden können.
Soziale Unternehmen im Netzwerk von arbeit plus Niederösterreich sind damit nicht nur Orte der Unterstützung und Qualifizierung, sondern auch Motoren für Innovation und gesellschaftliche Veränderung. Sie zeigen eindrucksvoll, wie durch gelebte Kooperation zwischen Praxis und Forschung eine Win-win-Situation für alle Beteiligten entsteht – vor allem aber für die Menschen, die Unterstützung in den Sozialen Unternehmen finden!
Beitrag von Karin Höllinger (Schmiede – Zukunft und Arbeit), Krista Susman (zb – zentrum für beratung, training & entwicklung) und Martina Könighofer (arbeit plus NÖ), Symbolbild: Master Thesis von Charlotte Gruber mit “Stud-Entin”, gefertigt vom Sozialen Unternehmen NESIB Frauen.