Internationaler Tag der psychischen Gesundheit

„Die relative Häufigkeit (Prävalenz) psychopathologischer Symptomatiken in den Bereichen Angst, Depression, Stress, Belastung und Schlaf zeigte sich seit Beginn der Corona-Krise in der internationalen, wie österreichischen Bevölkerung deutlich erhöht, (…). Besonders ausgeprägte Symptome berichteten vor allem jüngere Menschen, Alleinstehende, Frauen sowie Personen, welche von Armut bzw. Arbeitslosigkeit betroffen waren,“ heißt es im kürzlich vom AMS und abif publizierten Arbeitsmarktstrukturbericht „Psychosoziale Konsequenzen von Corona bzw. Corona-bedingter Arbeitslosigkeit – Schlussfolgerungen für die Arbeitsmarktpolitik“ (Kranner und Steine, 2022).

Auch in den Sozialen Unternehmen, die mit Beratung, Qualifizierung und temporären Arbeitsplätzen Langzeiterwerbslose beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt unterstützen, ist diese Tendenz spürbar. So wählte die Mehrheit der Mitglieder im Netzwerk von arbeit plus etwa diesen Themenkomplex in einer Umfrage als das Thema, das ihnen am meisten „unter den Nägeln brennt“ und in der Mitarbeiter:innentagung behandelt werden sollte. Unter dem Titel Gärtner*innen im Garten des Resilienz holten sich Schlüsselarbeitskräfte, Berater:innen und Trainer:innen im März 2022 professionelle Inputs und konnten besonders im Austausch mit Kolleg:innen Strategien gegen die Zusatzbelastungen entwickeln.

Auch das Weiterbildungsangebot Psycho … was? – Basic, das arbeit plus Niederösterreich im Dezember veranstaltet, beschäftigt sich mit den Bedürfnissen psychisch belasteter Personen im Kontext von Arbeit(-suche) und dahingehender Beratung.

Die aktuelle geopolitische Lage wirkt in Verbindung mit der Pandemie wirkt wie ein Brennglas und verstärkt bestehende Krisenpotentiale. Die Ursachen sind mannigfaltig und reichen laut oben genannter Studie von krankheitsbezogener Angst über Einsamkeit, finanziellen Sorgen und Existenzängsten bis hin zur Retraumatisierung Geflüchteter, Mehrfachbelastung von Frauen durch Care-Arbeit bis hin zu Gewalt und Wechselwirkungseffekten.

Wie u.a. ORF Niederösterreich berichtet, trägt das AMS Niederösterreich der Entwicklung des Anstiegs psychischer Belastungen insbesondere bei Langzeitarbeitslosen Rechnung und stellt heuer – und österreichweit einzigartig – 150.000 Euro für Psychotherapie in den Arbeitstrainingszentren zur Verfügung. Damit soll die Lücke geschlossen werden, bis die Betroffenen einen über die Krankenkasse ermöglichten Therapieplatz bekommen.

Zahlreiche Soziale Unternehmen im Netzwerk von arbeit plus Niederösterreich bieten prozessorientierte, psychosoziale Beratung und Begleitung an. Sie alle finden sich in der Datenbank Sozialer Unternehmen mit dem Suchfilter „Niederösterreich“ und dem Tätigkeitsbereich „Beratung“.

So bietet etwa die BBE FAIR der Volkshilfe Wien mit Sitz in St. Pölten und weiteren mobilen Standorten (Amstetten, Tulln) mehrsprachige Beratung bei psychosozialen Schwierigkeiten an, Emmaus berät gezielt Menschen mit gesundheitlichen, psychischen Einschränkungen, Landschaftspflege bietet Beratung bei unterschiedlichen Problemlagen, oder das zb – zentrum für beratung, training & entwicklung in Krems und weiteren Standorten im Most-, Wein- und Waldviertel, das u.a. mit Coaching und Psychotherapie begleitet.

„Die immer schneller werdenden Veränderungen brauchen Stabilisierungszeiträume und nicht erhöhten Druck. Menschen sehen sich akut mit großer Ungewissheit und Angst konfrontiert,” so Krista Susman, Geschäfsführerin des zb – zentrum für beratung, training & entwicklung. „Unsere Berater:innen unterstützen dabei, neue Perspektiven zu entwickeln, beruflich wie persönlich. Dazu sind geeignete Rahmenbedingungen unerlässlich,” fordert Susman ausreichende finanzielle und zeitliche Ressourcen für ihre Mitarbeiter:innen und Klient:innen ein. „Die Menschen, die aktuell zu uns kommen, brauchen qualitätsvolle psychologische und psychotherapeutische Unterstützung, um tragfähige Perspektiven und Zuversicht entwickeln zu können. Gerade jetzt.“

Als ebenso wichtig wie eine professionelle Strategieentwicklung, um die Herausforderungen auf Seiten der Zielgruppen Klient:innen zu meistern, erweist sich ein sorgsamer Umgang mit den Ressourcen der Berater:innen und Arbeitsanleiter:innen. Denn auch für sie verschärft sich durch die multiplen Belastungen der Klient:innen der Druck und auch diese Berufsgruppe ist vor krankheitsbedingten Ausfällen, Nachbesetzungsschwierigkeiten und einem Fachkräftemangel nicht gefeit. Es ist essenziell, ihnen ausreichend Möglichkeiten zu Supervision, Weiterbildung und zum Austausch zu ermöglichen. Dafür braucht es die nötigen strukturellen Bedingungen und Ressourcen.

Im gesamtgesellschaftlichen Kontext fasst die AMS / abif Studie folgende strukturelle Maßnahmen zusammen und richtet den Appell an die Sozialpolitik: „Die Sozialpolitik ist gefordert, Maßnahmen zur Verringerung von Armut und (Langzeit-)Arbeitslosigkeit beizubehalten, sowie eine Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenhalts bzw. zivilgesellschaftlichen Engagements zu fördern. Dies könnte mittelfristig unter anderem durch institutionalisierte Aufarbeitungsarbeit oder gezielte Informationskampagnen geschehen. Für eine nachhaltige Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik im Hinblick auf die Prävention von marktwirtschaftlichen Nachwirkungen und Langzeitarbeitslosigkeit bieten sich folgende Ansatzpunkte an: Miteinbeziehen von Arbeitgeber*innen, finanzielle Eingliederungshilfe, (Transit-)Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen in sozialen, ökologischen und kulturellen Projekten, Einstellungsquoten, sowie frühzeitiges Ansprechen psychosozialer Problematiken im Beratungskontext.“ (Kranner und Steine, 2022).

Dem können wir uns – basierend auf den Erfahrungen unserer 31 Mitglieder, insbesondere im Zusammenhang mit Langzeitarbeitslosigkeit – vollinhaltlich anschließen. „Psychische Belastungen müssen ernst genommen werden. Wir müssen dem steigenden Druck angemessen entgegenwirken. Dafür braucht es entsprechende Rahmenbedingungen,“ so Maria Nirnsee, Geschäftsführerin von arbeit plus – Soziale Unternehmen Niederösterreich.


Das Foto zeigt ein Wandbild, das bei Schmiede - Zukunft und Arbeit entstanden ist und zeigt einen grauen Himmel mit Wolken und Regentropfen, die Sorgen und Ängste darstellen