Was haben die Gemeinderatswahlen in Niederösterreich mit Aktiver Arbeitsmarktpolitik zu tun?

Die Qual der Wahl?

Am 26. Jänner 2025 werden in 568 niederösterreichischen Gemeinden die Gemeinderäte neu gewählt. 1,3 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Ob all diese Menschen auch von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, ist offen. Studien, wie etwa die der Denkfabrik (2017; 2019), zeigen, dass insbesondere Langzeiterwerbsarbeitslose die Möglichkeit, ihre politischen Interessen durch ihre Stimmabgabe vertreten zu wissen, nicht wahrnehmen: Die Entscheidung, nicht mehr an Wahlen teilzunehmen, wird allerdings nicht aufgrund von mangelndem Interesse getroffen – sie ist vielmehr Ausdruck des Gefühls, nicht mehr zur Gesellschaft dazu zu gehören. Generell ist die Wahlbeteiligung gesellschaftlich benachteiligter Menschen meist unterdurchschnittlich im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (vgl. arbeit plus Themenpapier Langzeitbeschäftigungslosigkeit, 2024).

Aus Sicht der Sozialen Unternehmen im Netzwerk von arbeit plus NÖ ist eine Beteiligung an Wahlen demokratiepolitisch und gesamtgesellschaftlich essenziell. Maria Nirnsee, Geschäftsführerin von arbeit plus – Soziale Unternehmen NÖ, ist überzeugt:

Es ist wichtig, dass auch sozial benachteiligte Menschen an Wahlen teilnehmen, weil ihre Stimme entscheidend für eine gerechte und inklusive Gesellschaft ist!

Denn: Politische Teilhabe stärkt soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Marginalisierung wird entgegengesteuert. Besonders im Zusammenhang mit Gemeinderatswahlen – sie beeinflussen das tägliche Leben direkt. Die Gemeinderät:innen entscheiden über viele Themen, die den Alltag der Bürger:innen betreffen – von sozialen Unterstützungsprogrammen über Wohnbau bis hin zu Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit. Gerade Langzeitarbeitslose profitieren von kommunalen Projekten und Angeboten, die durch die Gemeindepolitik gefördert werden können. Zudem trägt Wählen auch zur Stärkung des Bewusstseins einer politischen Selbstwirksamkeit bei.

Aktive Arbeitsmarktpolitik als kommunale Verantwortung – und Chance!

Die kommenden Gemeinderatswahlen stehen nicht nur im Zeichen kommunaler Entscheidungen, sondern bieten auch Gelegenheit, den Beitrag der Aktiven Arbeitsmarktpolitik und insbesondere der sozialökonomischen Betriebe (SÖB), Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekte und Beratungs- und Qualifizierungsangebote für Gemeinden hervorzuheben. Diese Einrichtungen sind fester Bestandteil des regionalen Arbeitsmarktsystems und leisten auf vielfältige Weise einen entscheidenden Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe und kommunalen Entwicklung. Soziale Unternehmen orten konkrete Bedarfe in Gemeinden und reagieren mit innovativen Angeboten. Sie schaffen sozialen Mehrwert und werten die Regionen auf, indem sie sie lebenswerter machen. So zum Beispiel durch Tätigkeiten im Bereich der Kreislaufwirtschaft, der Grünraumpflege oder – wie am Beispiel von lebmit & bunttex in Gmünd und vieler anderer unserer Mitglieder  – als Nahversorger:innen und soziale Treffpunkte, die der Peripherisierung der Gemeinden entgegenwirken. „In den Gemeinden und (Klein-)Regionen gibt es zahlreiche — nicht marktfähige — Tätigkeitsfelder bzw. Beschäftigungsmöglichkeiten“ stellten Vertreter:innen der Gemeinden in Bezug auf Beschäftigungsprojekte und Sozialökonomische Betriebe bereits 2006 fest (vgl. Gemeindebund, 2006).

Eine Brücke in den Arbeitsmarkt

Besonders in Gemeinden mit hoher Arbeitslosenquote sind Soziale Unternehmen unverzichtbar. Sie tragen nicht nur zur Senkung der Arbeitslosigkeit bei, sondern stärken durch arbeitsmarktpolitische Programme auch das soziale Gefüge vor Ort.  Als gemeinnützige Einrichtungen bieten sie zeitlich befristete Arbeitsplätze und gezielte Unterstützungsmaßnahmen zur Integration am ersten Arbeitsmarkt bieten. Sie richten sich vor allem an Personen, die aufgrund unterschiedlicher Umstände wie Langzeitarbeitslosigkeit, fehlender Qualifikationen oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen besondere Unterstützung benötigen. Durch diese Leistungen bieten sozialökonomische Betriebe nicht nur individuelle Perspektiven, sondern entlasten auch öffentliche Strukturen, indem sie Arbeitsuchende auf den ersten Arbeitsmarkt vorbereiten.

Gemeindepolitische Gestaltungsspielräume nutzen

Gemeinden profitieren auf vielfache Weise von Sozialen Unternehmen: sie stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt, tragen zur Verbesserung kommunaler Infrastruktur, wie beispielsweise die Pflege von öffentlichen Plätzen oder die Unterstützung bei Bauprojekten, bei, leisten wesentliche Beiträge zum Klima- und Umweltschutz durch ihrer Vorreiter:innenrolle im Bereich der Kreislaufwirtschaft und entlasten die kommunale Verwaltung.

Auf Seiten der Wähler:innen bieten die Gemeinderatswahlen 2025 die Möglichkeit, darüber mitzuentscheiden, wie stark Soziale Unternehmen in der jeweiligen Gemeinde gefördert werden. Ein Blick auf die politische Agenda der Kandidat:innen und Parteien zeigt, ob und in welchem Umfang sie sich für die Stärkung sozialer und arbeitsmarktintegrativer Maßnahmen einsetzen.

Gemeinderät:innen sind gefragt, gerade jetzt die arbeitsmarktintegrativen Angebote vor Ort zu unterstützen, indem sie Rahmenbedingungen schaffen, in denen Soziale Unternehmen ihre Arbeit erfolgreich fortführen und ausbauen können – beispielsweise durch kooperative Projekte oder den Zugang zu kommunalen Förderungen. Auch eine soziale nachhaltige Nutzung der Vergabekompetenz kann wesentlich dazu beitragen, gemeinsam den Weg in Richtung „Gute Arbeit für alle“ fortzuschreiten: Die Beachtung sozialer Kriterien und die aktive Einbeziehung Sozialer Unternehmen als Anbieter:innen bei öffentlichen Ausschreibungen unterstützt nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch ihre Zielgruppen und – längerfristig und nachhaltig gedacht – auch die regionale Wirtschaft, durch die Qualifizierung von Arbeitskräften (vgl. auch das aktuelle arbeit plus ESF-Projekt SRPP). So können auch Gemeinden gezielt positive Impulse setzen und Beschäftigungsprojekte stärken.

Dem zugrunde liegt ein Grundbekenntnis zum Mehrwert Sozialer Unternehmen: Arbeitsmarktintegrative Maßnahmen verringern langfristig soziale Folgekosten und stärken die Chancengleichheit.

Gemeinden können gezielt Kooperationen mit sozialökonomischen Betrieben und gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten eingehen und dabei Synergieeffekte zu nutzen – zum Wohle der Gemeinden und Regionen und ihrer Bewohner:innen,

weiß arbeit plus NÖ Geschäftsführerin Maria Nirnsee aus langjähriger Erfahrung. Dies kann etwa durch die Bereitstellung von geeigneten Räumlichkeiten und Infrastruktur erfolgen, wie etwa am Beispiel von J.O.B in Waidhofen an der Ybbs, oder durch finanzielle Förderungen zur Umsetzung arbeitsmarktpolitischer Programme – gemeinsam mit AMS und Land – , wie zum Beispiel bei der Schmiede – Zukunft und Arbeit in Korneuburg. Oder mit gemeinsamer Produktentwicklung, wie etwa im Beitragsbild zu sehen ist: Hier hat arbeit plus NÖ Mitglied fairwurzelt in Kooperation mit der Gemeinde, in der das Soziale Unternehmen ansässig ist, den regionalen original Neidlinger-Biokräutertee ausgetüftelt”.

Kommunalvertreter:innen sind auch aufgerufen, die Hemmnisse, die Langzeiterwerbsarbeitslosen beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt im Weg liegen, nicht aus ihrem kritischen Blick zu lassen: Mobilitätsarmut, mangelnde Kinderbetreuungsangebote oder fehlende psychosoziale Versorgung sind Bereiche, an denen auch die Gemeinden die Hebel ansetzen müssen!

Ein starkes soziales Netz als kommunaler Erfolgsfaktor

Die Gemeinderatswahlen in Niederösterreich 2025 sind ein wichtiger Moment, um die Bedeutung der Aktiven Arbeitsmarktpolitik und Sozialer Unternehmen ins Bewusstsein zu rücken. Sie leisten nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der Arbeitslosigkeit, sondern stärken durch ihre vielfältigen Projekte den sozialen Zusammenhalt und die lokale Wirtschaft.

Ein kommunalpolitisches Engagement für sozialökonomische Betriebe ist eine Investition in die Zukunft der Gemeinden – mit positiven Effekten für Arbeitslose, Gemeindebewohner:innen und die gesamte regionale Entwicklung. Während die Wahlbeteiligten am 26. Januar ihre Stimmen abgeben, entscheidet sich auch, wie solidarisch und inklusiv der Arbeitsmarkt in Niederösterreich gestaltet werden soll. Deshalb sind die Gemeinderatswahlen ein zentraler Hebel, um die Rahmenbedingungen für eine gerechtere Gesellschaft zu setzen!

Quellen:

arbeit plus Österreich, 2016: Themenpapier Öffentliche Vergabe & Soziale Dienstleistungen. https://arbeitplus.at/themenpapiere/oeffentliche-vergabe-soziale-dienstleistungen/

arbeit plus Österreich, 2024: Themenpapier Langzeitbeschäftigungslosigkeit. https://arbeitplus.at/wp-content/uploads/2024/04/Themenpapier-LZAL.pdf

arbeit plus NÖ, 2024: Wie Soziale Unternehmen der Peripherisierung entgegenwirken, https://niederoesterreich.arbeitplus.at/nahversorger/

Denkfabrik, 2017: Gib mir was, was ich wählen kann. Sozialunternehmen Neue Arbeit. https://studie-nichtwaehler.de/index.php/gib-mir-was-was-ich-waehlen-kann

Denkfabrik, 2019: Unerhört! Langzeitarbeitslose Nichtwähler melden sich zu Wort. Sozialunternehmen Neue Arbeit. http://studie-nichtwaehler.de/downloads/Unerhoert-Langzeitarbeitslose-Nichtwaehler-melden-sich-zu-Wort.pdf

Österreichischer Gemeindebund, 2006: Zukunft ländliche Gemeinde – Diskussionsbeiträge zum Österreichischen Gemeindetag 2006, Schriftenreihe Rechts- und Finanzierungspraxis der Gemeinden [RFG] , Manz.